27
Okt
2011

Septemberhimmel

Tiefblau und kein Lüftchen.
Die Fahnen hängen schlaff
am Memorial für die Opfer.
Jane kennt den Ort nicht,
an dem ihre Tochter mit
tausenden Menschen,
Stahlträgern, Flugzeugteilen,
Metall und Kunststoff verschmolz.
Es gibt nur zwei Löcher kein Grab.
Die Trauer bleibt ein Ungeheuer.
Seit damals hat sie Angst vorm Fliegen.

Tiefblau und kein Lüftchen.
Im Basar ist es still am Mittag,
wenn sie durch die Gassen geht.
Jasmin achtet auf Geräusche.
Aus Furcht vor einem Attentat.
Sie kennt den Ort nicht,
wo ihre Eltern nach dem
Massaker verscharrt wurden.
Kein Begräbnis, aber Angst vor
Feinden aus eigenen Reihen
verfolgt sie auf Schritt und Tritt.

©GJ20111026
(Angeregt durch Thomas Lehrs Roman „September oder Fata Morgana“

25
Okt
2011

Herbstzeit

Das goldne Laub entflammt nicht mehr,
schenkt bloß für einen Augenblick
Erinnerung an Maiengrün,
an Kühnheit die uns eigen.

Wir dachten wenig, wagten viel,
doch lässt sich nicht verschweigen,
dass wir vergehen in der Zeit.
Sie ist es, die stets war und bleibt.


©GJ20111022

20
Okt
2011

Keine Empfehlung

Heute Nachmittag habe ich auf einem Cafétisch ein Werbeblättchen von GU (Gräfe und Unzer) liegen sehen, und aus Langweile beim Cappuccino, in das vom Verlag betitelte „Magazin“, Weihnachtsausgabe 2011, geschaut.
Nicht genug, dass es mir absurd erscheint, gefühlte Tausend Kochbücher beworben zu sehen und unter gefühlten Zehntausend Ratgebern einen, der empfiehlt: „Lebe deine Wünsche“. Nein, was mich ungläubig staunen ließ, war folgendes, was ich wörtlich wiedergebe. (Ich habe die wertvolle Weihnachts-Geschenkbuch-Einkaufshilfe nämlich mit nach Hause genommen).

O-Text - mit Einschüben, die ich mir nicht verkneifen konnte.
***
GU Autorin Susanne Saller-Schneider gibt Tipps, wie man Hunde am Heiligabend harmonisch in die Familie einbindet. (Komm: Was, wenn die Familie abhanden gekommen und die Harmonie ebenso? Oder haben nur harmonische Familien einen solchen Hund?)
Für mich ist es selbstverständlich, dass die Tiere mitfeiern. Als Weihnachtsbraten bekommen unsere Hunde das Innenleben (Herz, Leber, Magen) der Weihnachtsgans, angereicht mit Hühnerherzen. (Komm: Vielleicht noch: "An Lachstatar"?) Und zum Nachtisch eine Kugel Eis mit Hundekeks.
Jeder meiner Hunde bekommt ein Päckchen unter den Tannenbaum gelegt. (Komm: Die hat ’se wirklich nicht mehr alle am Christbaum).
In der Verpackung verstecke ich ein oder zwei Leckerlis. Die Hunde reißen dann die Verpackung auf, verspeisen erst die Leckerlis, um dann mit ihrem neuen Spielzeug zu spielen.
Wenn Hunde vor lauter Übermut nach den Christbaumkugeln schnappen, gleich beim ersten Mal „pfui“ oder „nein“ sagen. Schnüffeln ist kein Problem … usw. usf.

***
Mich würde interessieren, wie oft ein solches Buch, es geht um die „Trendrasse“, französische Bulldogge, zum stolzen Preis von 24,99 Euro verkauft wird.
Arme Viecher, fällt mir dazu nur ein, nicht genug, dass sie von Züchtern zur Kurzatmigkeit verdammt sind, jetzt sollen sie auch noch in die (nicht vorhandene) "Harmonie" zu Weihnachten integriert werden. Hallelujah!

18
Okt
2011

Dosenöffner

Heutzutage benötigt man nur noch selten einen Dosenöffner. Dosen haben fast immer einen integrierten Öffnungsmechanismus. Wie nennt man den eigentlich, fragte sie sich beim Kauf einer Dose passierter Tomaten ohne jenen Mechanismus, suchte allerdings nicht ernsthaft nach einer Antwort.
Einen alten Dosenöffner, mit zwei handlichen Griffen und einer großen Flügelschraube besaß sie noch. Als sie diesen zu Hause aus dem hintersten Winkel einer Küchenschublade hervorholte, sah sie, wie verdreckt er dort Jahre unbenutzt gelegen hatte. In Rillen und Fugen der Mechanik saß eine undefinierbare Schicht, die sich, nachdem sie mit einem Zahnstocher zu pulen begonnen hatte, als äußerst hartnäckig und elastisch erwies. Nahrungsmittelreste und winzigster Metallabrieb waren in bräunliches Gummiband verwandelt, das sich um die Rädchen schlang. Eklig war das. Sie dachte an ungezählte Dosen Tomatenmark, Ölsardinen, Thunfisch, Mais, Rote Bohnen, Gewürzgurken, Sauerkraut, Ananas und Aprikosen. Saßen wirklich kleinste Teilchen all jener geöffneten Dosen und deren Inhalts in den Zwischenräumen? Kaum zu glauben. Wie lange hatte sie schon kein Tomatenmark mehr gekauft oder Obstkonserven.
Der Zahnstocher brach schnell ab. Aber jetzt war sie von einer Art Fieber befallen, welches sie antrieb und sie nach dem zweiten, einen dritten, nach dem dritten einen vierten, also immer weitere Zahnstocher aus der Packung nehmen ließ, um den Schmutz zu lösen.
Die Lust es zu tun überwog den Ekel. Und vor ihrem inneren Auge zogen all die Gerichte vorbei, für deren ‚Zubereitung’ vor gefühlten Ewigkeiten ein Dosenöffner notwendig gewesen war: Toast Hawaii, Sauerkraut mit Rippchen, Chili con Carne und Spaghetti Bolognese, ohne die Tortenböden zu vergessen, die mit Früchten aus der Dose belegt worden waren.
Es entstand, während ein Zahnstocher nach dem anderen im Mülleimer landete ein regelrechter Sog in ihr, das Verlangen, diesem Dreck beizukommen. Um sie drehten sich Bilder einer Küche von vor zwanzig Jahren, flüchtige Bewegungen, verwischte Silhouetten um einen gedeckten Tisch, verbunden mit Geräuschen von klirrendem Besteck und Geschirr. Stimmen, die auf sie einredeten. Jeder wollte etwas von ihr. Der eine mehr Sauce, der andere noch Nudeln und wieder ein dritter ein Glas Wein. Sie sah sich rennen zwischen Esstisch und Küche. Sprachfetzen schwirrten an ihren Ohren vorbei. Dann Stühlerücken, die Szene endete und die Körper schwebten fort, gleich Gespenstern in Geistergeschichten. Sie sah sich allein in einer Küche mit Bergen von Geschirr.
Und immer noch pulte sie den Schmutz aus dem Dosenöffner.

12
Okt
2011

Nicht das Grau

Das Grau, war es anders als in den Jahren die hinter mir liegen?
Das Grau sah grauer aus, ich empfand es intensiver und bedrückender.
Es hatte denselben Ton, die gleiche Dichte und Temperatur.
Also war das Grau nicht anders.
Nicht das Grau.



11.10.2011


Der Flötenspieler vor der Buchhandlung spielte die Arie der Königin der Nacht aus der Zauberflöte. Die Bratschenmusik kam passend vom Band. Die Töne perlten. Sphärenklänge erreichten mich. Für Minuten blieb ich in der Schwebe.

23
Aug
2011

Erkenntnis

Manchmal kenne ich mich nicht (aus)
In einem solchen Augenblick
könnte ich die Frau sein
die gegenüber in der Bahn sitzt
oder jene auf dem Foto in der Zeitung
(die Profil hat)
Unsicheren Schritts gehe ich einkaufen
und weiß nicht für wen
©GJ20110819



Es reicht nicht, im Scherbenhaufen nach Klebstoff zu suchen.

18
Aug
2011

Einsicht

Adjektive, mit denen wir Ungeheuerlichkeiten zu beschreiben versuchen, sind meist dem Tierreich entliehen, ungeachtet der Tatsache, dass der Mensch das größte lebende Ungeheuer ist.

14
Aug
2011

./.

Man liebt Verhältnisse besonders wenn sie im Schwinden begriffen.

Als Täumerin hätte ich mein Leben zurichten können.

Wie erniedrigend, als einziger Dilettant zwischen lauter Könnern …
logo

aufgefaltet

silben worte sätze

Mein Lesestoff


Siri Hustvedt
Was ich liebte



Roger Willemsen
Die Enden der Welt


Andreas Maier
Das Haus


Andreas Maier
Das Zimmer



Martin Suter
Die Zeit, die Zeit



Tomas Tranströmer
Sämtliche Gedichte

Musikliste

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6198 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 13. Feb, 21:00

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development