Dosenöffner
Heutzutage benötigt man nur noch selten einen Dosenöffner. Dosen haben fast immer einen integrierten Öffnungsmechanismus. Wie nennt man den eigentlich, fragte sie sich beim Kauf einer Dose passierter Tomaten ohne jenen Mechanismus, suchte allerdings nicht ernsthaft nach einer Antwort.
Einen alten Dosenöffner, mit zwei handlichen Griffen und einer großen Flügelschraube besaß sie noch. Als sie diesen zu Hause aus dem hintersten Winkel einer Küchenschublade hervorholte, sah sie, wie verdreckt er dort Jahre unbenutzt gelegen hatte. In Rillen und Fugen der Mechanik saß eine undefinierbare Schicht, die sich, nachdem sie mit einem Zahnstocher zu pulen begonnen hatte, als äußerst hartnäckig und elastisch erwies. Nahrungsmittelreste und winzigster Metallabrieb waren in bräunliches Gummiband verwandelt, das sich um die Rädchen schlang. Eklig war das. Sie dachte an ungezählte Dosen Tomatenmark, Ölsardinen, Thunfisch, Mais, Rote Bohnen, Gewürzgurken, Sauerkraut, Ananas und Aprikosen. Saßen wirklich kleinste Teilchen all jener geöffneten Dosen und deren Inhalts in den Zwischenräumen? Kaum zu glauben. Wie lange hatte sie schon kein Tomatenmark mehr gekauft oder Obstkonserven.
Der Zahnstocher brach schnell ab. Aber jetzt war sie von einer Art Fieber befallen, welches sie antrieb und sie nach dem zweiten, einen dritten, nach dem dritten einen vierten, also immer weitere Zahnstocher aus der Packung nehmen ließ, um den Schmutz zu lösen.
Die Lust es zu tun überwog den Ekel. Und vor ihrem inneren Auge zogen all die Gerichte vorbei, für deren ‚Zubereitung’ vor gefühlten Ewigkeiten ein Dosenöffner notwendig gewesen war: Toast Hawaii, Sauerkraut mit Rippchen, Chili con Carne und Spaghetti Bolognese, ohne die Tortenböden zu vergessen, die mit Früchten aus der Dose belegt worden waren.
Es entstand, während ein Zahnstocher nach dem anderen im Mülleimer landete ein regelrechter Sog in ihr, das Verlangen, diesem Dreck beizukommen. Um sie drehten sich Bilder einer Küche von vor zwanzig Jahren, flüchtige Bewegungen, verwischte Silhouetten um einen gedeckten Tisch, verbunden mit Geräuschen von klirrendem Besteck und Geschirr. Stimmen, die auf sie einredeten. Jeder wollte etwas von ihr. Der eine mehr Sauce, der andere noch Nudeln und wieder ein dritter ein Glas Wein. Sie sah sich rennen zwischen Esstisch und Küche. Sprachfetzen schwirrten an ihren Ohren vorbei. Dann Stühlerücken, die Szene endete und die Körper schwebten fort, gleich Gespenstern in Geistergeschichten. Sie sah sich allein in einer Küche mit Bergen von Geschirr.
Und immer noch pulte sie den Schmutz aus dem Dosenöffner.
Einen alten Dosenöffner, mit zwei handlichen Griffen und einer großen Flügelschraube besaß sie noch. Als sie diesen zu Hause aus dem hintersten Winkel einer Küchenschublade hervorholte, sah sie, wie verdreckt er dort Jahre unbenutzt gelegen hatte. In Rillen und Fugen der Mechanik saß eine undefinierbare Schicht, die sich, nachdem sie mit einem Zahnstocher zu pulen begonnen hatte, als äußerst hartnäckig und elastisch erwies. Nahrungsmittelreste und winzigster Metallabrieb waren in bräunliches Gummiband verwandelt, das sich um die Rädchen schlang. Eklig war das. Sie dachte an ungezählte Dosen Tomatenmark, Ölsardinen, Thunfisch, Mais, Rote Bohnen, Gewürzgurken, Sauerkraut, Ananas und Aprikosen. Saßen wirklich kleinste Teilchen all jener geöffneten Dosen und deren Inhalts in den Zwischenräumen? Kaum zu glauben. Wie lange hatte sie schon kein Tomatenmark mehr gekauft oder Obstkonserven.
Der Zahnstocher brach schnell ab. Aber jetzt war sie von einer Art Fieber befallen, welches sie antrieb und sie nach dem zweiten, einen dritten, nach dem dritten einen vierten, also immer weitere Zahnstocher aus der Packung nehmen ließ, um den Schmutz zu lösen.
Die Lust es zu tun überwog den Ekel. Und vor ihrem inneren Auge zogen all die Gerichte vorbei, für deren ‚Zubereitung’ vor gefühlten Ewigkeiten ein Dosenöffner notwendig gewesen war: Toast Hawaii, Sauerkraut mit Rippchen, Chili con Carne und Spaghetti Bolognese, ohne die Tortenböden zu vergessen, die mit Früchten aus der Dose belegt worden waren.
Es entstand, während ein Zahnstocher nach dem anderen im Mülleimer landete ein regelrechter Sog in ihr, das Verlangen, diesem Dreck beizukommen. Um sie drehten sich Bilder einer Küche von vor zwanzig Jahren, flüchtige Bewegungen, verwischte Silhouetten um einen gedeckten Tisch, verbunden mit Geräuschen von klirrendem Besteck und Geschirr. Stimmen, die auf sie einredeten. Jeder wollte etwas von ihr. Der eine mehr Sauce, der andere noch Nudeln und wieder ein dritter ein Glas Wein. Sie sah sich rennen zwischen Esstisch und Küche. Sprachfetzen schwirrten an ihren Ohren vorbei. Dann Stühlerücken, die Szene endete und die Körper schwebten fort, gleich Gespenstern in Geistergeschichten. Sie sah sich allein in einer Küche mit Bergen von Geschirr.
Und immer noch pulte sie den Schmutz aus dem Dosenöffner.
GeRdanken - 18. Okt, 16:38